Recht und Steuern

Umsatzsteuerpflichten für den Online-Handel seit Juli 2021

1. Aufzeichnungspflichten seit dem 01.01.2019

Seit vielen Jahren vermehren sich Anhaltspunkte dafür, dass es beim Handel mit Waren über das Internet verstärkt zu Umsatzsteuerhinterziehungen kommen kann. Die Anhaltspunkte konzentrieren sich dabei insbesondere auf den Handel mit Waren aus Drittstaaten (insbesondere aus dem asiatischen Raum). Betreiber von elektronischen Marktplätzen sind daher seit  dem 01.01.2019 verpflichtet, Angaben von Nutzern, deren Umsätze in Deutschland steuerpflichtig sind, aufzuzeichnen und diese auf Anforderung dem Finanzamt zur Verfügung zu stellen (§ 22f UStG). Neben dem vollständigen Namen und der vollständigen Anschrift, muss der Betreiber auch die Steuernummer und soweit vorhanden die USt-IDNr. des liefernden Unternehmers aufzeichnen. Ebenso sind der Ort des Beginns der Beförderung oder Versendung sowie darüber hinaus der Bestimmungsort und der Zeitpunkt und die Höhe des Umsatzes aufzuzeichnen.
Die erweiterten Aufzeichnungspflichten des Betreibers beschränken sich allerdings nicht nur auf Lieferungen, die im Rahmen eines Unternehmens erfolgen, sie betreffen ebenso  Privatpersonen. In diesen Fällen hat der Betreiber neben dem vollständigen Namen und der vollständigen Anschrift auch das Geburtsdatum des Nutzers aufzuzeichnen.
Der unternehmerische Online-Händler hat ferner gegenüber dem Betreiber nachzuweisen, dass er steuerlich registriert ist. Das konnte bisher durch eine vom zuständigen FA für längstens drei Jahre lang erteilte Bescheinigung (§ 22f Abs.1 Satz 2 UStG) über die steuerliche Registrierung des Unternehmers (Vordruck USt 1 Tl) erfolgen, die ebenfalls vom Betreiber des Marktplatzes gespeichert werden musste. Waren die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Erteilung der o.g. Bescheinigung nicht gegeben, so war der Antrag des Unternehmers auf Erteilung der Bescheinigung vom Finanzamt negativ zu bescheiden. Hierfür war das Vordruckmuster USt 1 TM - Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Bescheinigung über die Erfassung als Steuerpflichtiger (Unternehmer) im Sinne von § 22f Abs. 1 Satz 2 UStG – eingeführt worden.
Alle Daten müssen auf Anfrage elektronisch an das entsprechende Finanzamt weitergeleitet werden.

 2. Vorgaben seit 01.07.2021

Durch das Jahressteuergesetz 2020 wurden die Regelungen zur Dokumentation und Haftung verschärft. Gleichzeitig wurde in einem neuen § 3 Abs. 3a UStG für bestimmte Konstellationen ab dem 01.07.2021 eine sog. Leistungskommission fingiert, wodurch der Betreiber einer „elektronischen Schnittstelle“ so behandelt wird, als hätte er den Gegenstand selbst für sein Unternehmen erworben und geliefert. Somit kommt es zu einem (fingierten) Reihengeschäft zwischen Onlinehändler, dem Schnittstellenbetreiber und dem Endkunden.
Ausführliche Informationen dazu finden Sie in unserem Artikel Das Mehrwersteuer-Digitalpaket.
Die Neuerungen treten neben die weiterhin existierende Haftung des Schnittstellenbetreibers nach § 25e UStG, welche mit dem Jahressteuergesetz 2020 allerdings modifiziert wurde: Der Betreiber der elektronischen Schnittstelle kann zukünftig im Rahmen von § 25e UStG einer Haftung gemäß Abs. 2 dann entgehen, wenn er über eine gültige inländische UStID-Nr. des liefernden Unternehmers verfügt. Dies bedeutet, dass der Betreiber die ihm vom Unternehmer mitgeteilte UStID-Nr. nicht nur aufzeichnet, sondern vielmehr auch ihre Gültigkeit zu prüfen hat. Ein Vorhalten von einer Bescheinigung des Finanzamts über die umsatzsteuerliche Erfassung entfällt somit. Allerdings wurden die Aufzeichnungspflichten des Betreibers erweitert (§ 22f UStG). So haben Schnittstellenbetreiber nach § 22f Abs. 3 UStG etwa im Falle einer Leistungskommission auch diejenigen Aufzeichnungspflichten zu beachten, die aus Art. 54c DVO hervorgehen. Es gilt eine Aufbewahrungspflicht von zehn Jahren. Gleichzeitig sind die Aufzeichnungen auf Anforderung des Finanzamtes elektronisch zu übermitteln.

3. BMF-Schreiben vom 20.04.2021

Mit Schreiben vom 20.04.2021 hat das BMF den Umsatzsteuer-Anwendungserlass entsprechend der neuen Regelungen angepasst und Stellung zu den im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2020 mit Wirkung zum 01.07.2021 vorgenommenen Anpassungen der §§ 22f, 25e UStG bezogen.

3.1 Neue Aufzeichnungspflichten

In Abschn. 22f.1 UStAE werden die Vorschriften zu den Aufzeichnungsvorgaben der Betreiber elektronischer Schnittstellen dargelegt. Auch werden Veränderungen dargestellt, die sich zu den seit dem 01.01.2019 vorhandenen Aufzeichnungspflichten ergeben. Neben den bisher aufzuzeichnenden Daten muss nach den neuen Regelungen insbesondere
  1. die elektronische Adresse oder Website des liefernden Unternehmers,
  2. die Bankverbindung oder die Nummer des virtuellen Kontos des Lieferers (soweit diese bekannt ist)
sowie
        3. eine Beschreibung des gelieferten Gegenstands und die Bestellnummer oder die eindeutige Transaktionsnummer (soweit diese bekannt ist) dokumentiert sein.
Der bisherige Nachweis der umsatzsteuerrechtlichen Erfassung des leistenden Unternehmers durch die Erfassungsbescheinigung entfällt. Ihn ersetzt jetzt der Nachweis über die gültige, dem leistenden Unternehmer vom BZSt erteilte UStID-Nr. (§ 22f Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG). Im Rahmen einer Nichtbeanstandungsregelung wird es von der Finanzverwaltung indes bis zum 15.8.2021 nicht beanstandet, wenn der Nachweis noch mit der alten Erfassungsbescheinigung (USt 1 TI) geführt wird.
Auch werden seit dem 01.07.2021 die besonderen Aufzeichnungsvorschriften für sonstige Leistungen, die von einer elektronischen Schnittstelle unterstützt werden und an einen Empfänger i.S.d. § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG ausgeführt werden, gefordert.

3.2 Die qualifizierte Bestätigungsabfrage

Marktplatzbetreiber haben nunmehr die Möglichkeit, die ihnen vom Onlinehändler mitgeteilte deutsche UStID-Nr. sowie Namen und Anschrift qualifiziert vom BZSt bestätigen zu lassen (sog. qualifizierte Bestätigungsanfrage gem. § 18e Nr. 3 UStG). Die Details dazu führt das BMF in Abschn. 18e.3 UStAE an. Voraussetzung für die Anfrage ist, dass der Marktplatzbetreiber im Inland steuerlich erfasst ist und über eine deutsche UStID-Nr. verfügt. Ferner muss er (elektronisch oder schriftlich) erfolgreich einen Antrag auf Zulassung für die Teilnahme am Bestätigungsverfahren gestellt haben. Die Zulassung kann seit 01.05.2021 beantragt werden.
Der Antrag muss bestimmte Angaben zum Betreiber sowie dem Marktplatz enthalten und ein „Unterstützen“ durch den Marktplatzbetreiber i.S.d. § 25e Abs. 6 UStG glaubhaft machen. Unterstützen bedeutet dabei die Nutzung einer elektronischen Schnittstelle, um es einem Leistungsempfänger und einem liefernden Unternehmer zu ermöglichen, in Kontakt zu treten, woraus eine Lieferung von Gegenständen an diesen Leistungsempfänger resultiert (§ 25e Abs. 6 Satz 1 UStG).

3.3 Die veränderten Haftungsregeln

Die Abschnitte 25e.1 ff. fassen bestimmte Haftungsregeln, welche seit dem 01.07.2021 zu beachten sind, zusammen. Zunächst stellt die Finanzverwaltung die verschiedenen Fallgestaltungen vor, welche zu einer Haftung durch Unterstützung durch den Betreiber einer elektronischen Schnittstelle führen können. Hier sind drei Konstellationen zu unterscheiden.
  1. Lieferungen an einen Unternehmer, unabhängig von der Ansässigkeit des liefernden Unternehmers: Da es in diesen Fällen nicht zu einer Anwendung der Regelungen über die Ortsbestimmung nach § 3c UStG kommt, liegt im Regelfall der Ort der Lieferung dort, wo die Warenbewegung beginnt bzw. die Ware in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt wird.
  2. Lieferungen, bei denen die Warenbewegung innerhalb des Gemeinschaftsgebiets erfolgt und der liefernde Unternehmer im Gemeinschaftsgebiet ansässig ist: Da hier ebenso Nichtunternehmer Leistungsempfänger sein können, ist denkbar, dass sich der Ort der Lieferung sowohl nach der Grundregelungen des § 3 Abs. 6 UStG als auch nach der Sondervorschrift für die Fernverkäufe (§ 3c UStG) richten.
  3. Lieferungen, bei denen die Ware vom Drittlandsgebiet in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt wird, der Sachwert der Ware mehr als 150 Euro beträgt und sich der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 8 oder § 3c Abs. 2 UStG im Inland befindet; unabhängig von der Ansässigkeit des liefernden Unternehmers.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass Vermittlungsmarktplätze bzw. Plattformen, die die Funktion eines „Schwarzen Brettes“ haben und über die sich Nutzer über bestehende Angebote Dritter informieren und Kontakt zu einem möglichen Vertragspartner aufnehmen können sowie Plattformen/Portale, die ausschließlich der Abwicklung von Zahlungen dienen, keine elektronischen Schnittstellen im Sinne der Vorschriften sind und eine Haftung hier außer Frage steht.

3.4 Haftungsausschluss

Der Betreiber der elektronischen Schnittstelle ist von der Haftung für die Umsatzsteuer dann ausgeschlossen, wenn der liefernde Unternehmer im Zeitpunkt der Lieferung über eine gültige deutsche UStID-Nr. verfügt. Immer dann, wenn der liefernde Unternehmer in Deutschland nicht registriert ist und deshalb keinen Anspruch auf Erteilung einer deutschen UStID-Nr. hat, kann sich auch ein Haftungsausschluss ergeben, wenn dies vom Unternehmer gegenüber dem Betreiber der elektronischen Schnittstelle erklärt wird. Das BMF-Schreiben erwähnt einzelne Konstellationen:
a) Unternehmer aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet, die im Inland ausschließlich Lieferungen i.S.d. § 3c Abs. 1 UStG ausführen und die unionseinheitliche Umsatzschwelle von 10.000 Euro nicht überschreiten und auch nicht auf die Anwendung verzichten.
In diesen Fällen kann der Betreiber zum Nachweis der steuerlichen Erfassung die dem liefernden Unternehmer erteilte und zum Zeitpunkt der Lieferung gültige UStID-Nr. eines anderen EU-Mitgliedstaats aufzeichnen. Soweit der liefernde Unternehmer nicht über eine UStID-Nr. verfügt, hat der Betreiber in geeigneter Weise nachzuweisen, dass die von dem Unternehmer ausgeführten Lieferungen im Inland nicht steuerbar sind, weil die Umsatzschwelle im Sinne des § 3c Abs. 4 Satz 1 UStG nicht überschritten ist (z.B. durch Abgabe einer entsprechenden Erklärung durch den betreffenden Unternehmer).
b) Unternehmer aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet, die im Inland ausschließlich steuerpflichtige Lieferungen i.S.d. § 3c Abs. 1 UStG (innergemeinschaftliche Fernverkäufe) ausführen, die unionseinheitliche Umsatzschwelle überschreiten und die Umsätze in einem anderen Mitgliedstaat über einen One-Stop-Shop abrechnen.
In diesen Fällen kann der Betreiber zum Nachweis der steuerlichen Erfassung die dem liefernden Unternehmer erteilte und zum Zeitpunkt der Lieferung gültige UStIDNr. des EU-Mitgliedstaates, bei dem er die Teilnahme an dem besonderen Besteuerungsverfahren angezeigt hat, aufzeichnen.
c) Unternehmer, die ausschließlich Lieferungen an Abnehmer im Inland ausführen, bei denen die Beförderung oder Versendung im Drittland beginnt, der Sachwert der Ware mehr als 150 Euro beträgt und für die der Ort der Lieferung nicht nach § 3 Abs. 8 oder § 3c Abs. 2 UStG im Inland ist.

In diesen Fällen besteht keine Pflicht zur steuerlichen Erfassung der liefernden Unternehmer. Auch in diesen Fällen muss der Betreiber einen entsprechenden Nachweis in geeigneter Weise vorhalten (z.B. durch Abgabe einer entsprechenden Erklärung durch den betreffenden Unternehmer).
Indes wird ein Marktplatzbetreiber auch dann haften, wenn er Kenntnis davon hatte oder mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns hätte wissen müssen, dass der Onlinehändler seinen umsatzsteuerlichen Pflichten nicht oder nicht im vollen Umfang nachkommt. Unabhängig davon haftet der Marktplatz auch immer dann, wenn der Onlinehändler im Zeitpunkt der Lieferung nicht über eine vom BZSt erteilte, gültige UStID-Nr. verfügt oder der Marktplatzbetreiber in den oben beschriebenen Ausnahmefällen über keinen Alternativnachweis verfügt.

3.5 Pflichtverletzungen des Online-Händlers

Stellt der Marktplatzbetreiber fest, dass es zu Pflichtverletzungen im Hinblick auf die Umsatzsteuer seitens des Online-Händlers kommt, wird er verpflichtet, den Online-Händler mit Fristsetzung von längstens 2 Monaten dazu aufzufordern, die Verstöße abzustellen. Wenn der Händler dieser Aufforderung nicht nachkommt, scheidet eine Haftung des Betreibers der elektronischen Schnittstelle nur unter der Voraussetzung  aus, dass er den Unternehmer nach Ablauf der Frist von dem weiteren Handel ausschließt. Er hat so die Sperrung aller Accounts des besagten Online-Händlers zu veranlassen. Dies gilt entsprechend bei Überschreiten der unionseinheitlichen Umsatzschwelle von 10.000 Euro (§ 3c Abs. 4 UStG). Auch haftet der Schnittstellenbetreiber nicht für die Umsatzsteuer, wenn sich der Online-Händler als Nichtunternehmer angemeldet hatte und der Betreiber der Schnittstelle seinen Aufzeichnungsverpflichtungen nach § 22f Abs. 2 UStG nachgekommen ist. Jedoch muss der Betreiber der elektronischen Schnittstelle überwachen, ob die Registrierung als Nichtunternehmer zu Unrecht erfolgt ist. Ein deutliches Anzeichen dafür liegt u.a. vor, wenn der Umsatz des Online-Händlers über die Schnittstelle innerhalb eines Kalenderjahrs 22.000 Euro übersteigt.

4. Praxisfolgen

Die neuen Regelungen bringen weitreichende Folgen für Händler und Betreiber des Marktplatzes mit sich. Für die Marktplatzbetreiber ist es von Wichtigkeit abzuklären, inwiefern eine Einbindung in eine fiktives Reihengeschäft vorliegt. Hier sollten entsprechende Warnsysteme etabliert werden. Ebenso gilt es, die neuen Vorgaben zur Dokumentation und den Haftungsfragen zu beachten. Insbesondere sollte auf das Instrument der qualifizierten Bestätigungsabfrage zurückgegriffen werden. Es gilt auch stets zu prüfen, ob Pflichtverletzungen des Händlers vorliegen oder ein Nichtunternehmer diesen Status tatsächlich zu Recht gewählt hat.

BMF-Vordruckmuster zur Händlerbescheinigung (gültig bis 30.06.2021)

BMF-Vordruckmuster zur Händlerbescheinigung (gültig ab 01.07.2021)