Zur Abmilderung der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie hat der Deutsche Bundestag am 25. März 2020 ein umfassendes Gesetzespaket beschlossen, welchem der Bundestag am 27. März 2020 zugestimmt hat. Das Covid-19-Gesetz ist noch am gleichen Tag im Bundesgesetzblatt verkündet worden und in Kraft getreten.
Die Änderungen im Gesellschaftsrecht sind in Artikel 2 des COVID -19-Gesetzes als „Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie“ enthalten und ab dem 28. März 2020 befristet auf das Jahr 2020 in Kraft getreten.
Aktuell informiert das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) auf seiner Internetseite, dass eine Verlängerung der Maßnahmen über den 31.12.2020 hinaus bis zum 31.12.2021 geplant ist. Hierzu liegt seit Mitte September der Referentenentwurf der Verordnung zur Verlängerung der Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie vor. Die Stellungnahmefrist der Bundesländer und Verbände lief am 25. September 2020 aus. Die Verordnung beinhaltet nur zwei Paragraphen: § 1 regelt die Verlängerung der Maßnahme bis zum 31.12.2021, § 2 das Inkrafttreten der Verordnung nach dem Tag der Verkündung sowie das Außerkrafttreten der Verordnung zum 31.12.2021. Da in § 8 des ursprünglichen Gesetzes eine Verordnungsermächtigung bereits vorgesehen war, kann die Maßnahme durch Rechtsverordnung anstelle eines förmlichen Gesetzgebungsverfahrens erfolgen.
1. Die wichtigsten gesellschaftsrechtlichen Neuregelungen:
Änderungen für AG, KGaA, SE und VVaG (Art. 2, § 1 Covid-19-Gesetz)
§ 1 Covid-19-Gestz sieht Sondervorschriften zu den bestehenden Regelungen zur Durchführung einer Hauptversammlung in § 118 AktG vor. Danach kann bei der AG, einer KGaA, einer SE und einem VVaG der Vorstand ohne Ermächtigung in der Satzung oder der Geschäftsordnung entscheiden, eine vollständig virtuelle Hauptverhandlung ohne körperliche Anwesenheit der Aktionäre abzuhalten. Geregelt wird die elektronische Teilnahme der Aktionäre an der Hauptversammlung (§ 118 Abs. 1 S. 2 AktG), die Stimmabgabe im Wege elektronischer Kommunikation (§ 118 Abs. 2 AktG), die Teilnahme von Mitgliedern des Aufsichtsrats mittels Bild- und Tonübertragung (§118 Abs. 3 S. 2 AktG) und die Zulassung der Bild- und Tonübertragung (§ 118 Abs. 4 AktG). Die Entscheidung über die Durchführung kann der Vorstand der Gesellschaft mit Zustimmung des Aufsichtsrates auch ohne Ermächtigung in der Satzung oder der Geschäftsordnung treffen.
Für die Durchführung der virtuellen Hauptversammlung müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein, die der Wahrung der Aktionärsrechte dienen. Diese sind in § 1 Abs. 2 Covid-19-Gesetz geregelt und beinhalten
- die Bild- und Tonübertragung der gesamten Versammlung,
- die Möglichkeit zur Stimmrechtsausübung der Aktionäre im Wege der elektronischen Kommunikation (Briefwahl oder elektronische Teilnahme) sowie Vollmachterteilung,
- Einräumung einer Fragemöglichkeit der Aktionäre im Wege der elektronischen Kommunikation und Beantwortung der Fragen nach pflichtgemäßem, freiem Ermessen durch den Vorstand,
- Einräumung der Möglichkeit zum Widerspruch gegen einen Beschluss der Hauptversammlung seitens der Aktionäre, die ihr Stimmrecht über elektronische Kommunikation ausgeübt haben (in Abweichung zu § 245 Nr. 1 AktG, der grundsätzlich das Erscheinen in der Hauptversammlung voraussetzt).
Überdies kann der Vorstand entscheiden, dass Fragen zwei Tage vor der Versammlung im Wege elektronischer Kommunikation einzureichen sind.
Die Hauptversammlung kann mit verkürzter Frist von 21 statt 30 Tagen einberufen werden (§ 1 Abs. 3 COVID-19 Gesetz). Überdies enthält Absatz 2 Regelungen zum Nachweis des Anteilsbesitzes sowie zu Folgeregelungen.
2. Sonderregelungen für GmbHs (Art. 2, § 2 Covid-19-Gesetz)
Für Gesellschafterbeschlüsse der GmbH sind nach § 2 Covid-19-Gesetz Erleichterungen vorgesehen. Abweichend von § 48 Abs. 2 GmbHG können Beschlüsse der Gesellschafter in Textform oder durch schriftliche Abgabe der Stimmen auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter gefasst werden. Diese Sonderregelung gilt nur für Gesellschafterversammlungen und -beschlüsse, die im Jahr 2020 stattfinden.
3. Sonderregelungen für Genossenschaften (Art.2, § 3 Covid-19-Gesetz)
Das Gesetz enthält Sonderregelungen für schriftliche oder elektronische Beschlüsse ohne vorhandene Satzungsregelungen sowie (Folge-)Regelungen zu solchen Beschlussfassungen, zur Einberufung der Generalversammlung/Vertreterversammlung, zur Feststellung des Jahresabschlusses, zu Abschlagszahlungen, zur Amtszeit von Mitgliedern des Vorstands und Aufsichtsrats sowie zu den Sitzungen von Vorstand und Aufsichtsrat. Diese gelten für 2020 – zu den Einzelheiten vgl. Sie bitte § 7 Abs. 3 Covid-19-Gesetz.
4. Ausnahme im Umwandlungsrecht (Art. 2, § 4 Covid-19-Gesetz)
Bei der Anmeldung einer Verschmelzung nach § 17 Abs. 2 Satz 4 UmwG (und Spaltung, vgl. § 125 UmwG) ist eine Bilanz ausreichend, die zu einem höchstens zwölf Monate vor der Anmeldung liegenden Stichtag aufgestellt wurde.
5. Sonderregelungen im Vereins-/ Stiftungsrecht (Art. 2, § 5 Covid-19-Gesetz)
Für im Jahr 2020 ablaufende Bestellungen von Vereins- oder Stiftungsvorständen und im Jahr 2020 stattfindende Mitgliederversammlungen von Vereinen sieht das Gesetz Sonderregelungen vor. Nach § 5 Abs. 1 Covid-19-Gesetz bleiben Vorstandsmitglieder von Vereinen und Stiftungen auch nach Ablauf ihrer Amtszeit bis zur Abberufung oder Bestellung eines Nachfolgers im Amt. Absatz 2 gibt dem Vorstand bei Vereinen abweichend von § 32 Abs. 1 Satz 1 BGB die Möglichkeit, die elektronische Teilnahme an der Mitgliederversammlung und eine ebensolche Abstimmung anzubieten oder eine schriftliche Stimmabgabe vor der Mitgliederversammlung vorzusehen. Beschlüsse (ohne Mitgliederversammlung) sind unter bestimmten Voraussetzungen abweichend von § 32 Abs. 2 BGB zulässig.
Aufgrund der unsicheren zeitlichen Perspektive wird das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) ermächtigt, die Maßnahmen per Verordnung ggf. bis zum 31.12.2021 zu verlängern. Die Regelungen des Artikel 2 zum Gesellschaftsrecht treten gemäß Artikel 6 Abs. 2 Covid-19-Gesetz am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft und gelten bis 31.12.2021.
Das BMJV hat auf seiner Internetseite FAQs zum Thema zusammengestellt.
BMJV: Erläuterungen zum Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie